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Warum können Werbeagenturen keine guten WWW-Seiten schreiben?
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Typische Argumente von "Webdesignern"
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Das verstehe ich nicht. Bei mir hat sich noch niemand über die WWW-Seiten beschwert.
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Ach was? Wen wundert das wirklich? Wie ist denn Ihr Surf-Verhalten, Herr Kollege? Wenn Sie auf eine WWW-Seite kommen, die - aus welche Gründen auch immer - schlecht ist oder schlecht aussieht, kämen Sie auf die Idee, dem Webmaster eine E-Mail zu schreiben? Würden Sie nicht ganz schnell weiterklicken? Und: Wie wollen Sie auf einer unzugänglichen WWW-Seite überhaupt die E-Mail-Adresse des zuständigen Webmasters erkunden?
Es gibt seit Jahrzehnten relativ zuverlässige Faustformeln für Lob und Tadel: Für X Verbraucher, die loben, stehen Y weitere Verbraucher, die schweigen. Aber: Für X Verbraucher, die meckern, stehen Y*Z Verbraucher, die schweigen. Machen Sie doch mal eine entsprechende Untersuchung bei Menschen, die auf für sie unzugängliche oder unlesbare WWW-Seiten stossen. Aber bitte machen Sie diese Untersuchung nicht auf den Rechnern in Ihrer Werbeagentur! Sondern irgendwo auf einem Durchschnittsrechner, meinetwegen in einem Büro, ohne Flash und ohne JavaScript.
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Die Corporate Identity ist fundamental wichtig für die Darstellung des Kunden im WWW.
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Gut. Nehmen wir mal an, das sei so. Dann stellen sich folgende Fragen: Für welche Medien wurde denn (damals) die Corporate Identity entworfen? Visitenkarte - Briefbogen - Prospekt? Gut. Da lässt sich nett pixeln. Aber jetzt sind Sie im WWW. Vergessen Sie die Präzision bei der Darstellung! Wenn Ihre Corporate Identity zwingend darauf angewiesen ist, ist die Corporate Identity für das WWW ungeeignet, nicht das Medium WWW, in dem sie präsentiert werden soll.
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Also bitte: Eine Auflösung von 800x600 setze ich mindestens voraus!
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Pech für Sie. Denn Sie wissen nicht, ob sie vorhanden ist. Selbst wenn der Monitor diese Auflösung (oder mehr) liefert: Warum sollten alle Leser das Browserfenster auf volle Grösse ziehen? Gerade geübte Computer-Nutzer tun dies eher selten. Woher wissen Sie, was im Browserfenster neben Ihren WWW-Seiten noch alles dargestellt werden muss? Sidebar? Google-Toolbar? Selbst bei erheblich höheren Auflösungen können Sie nicht eine bestimmte Grösse für die Darstellung Ihrer WWW-Seiten erwarten. Die Konsumenten kaufen sich nicht grössere Bildschirme, damit sie Ihre grösseren WWW-Seiten betrachten können, sondern damit mehrere Programmfenster draufpassen. Am besten nebeneinander.
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Ein Flash-Plugin kann ich doch voraussetzen! Das haben doch fast alle.
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Wirklich? Woher wissen Sie das eigentlich? Nur weil in Ihrem Umfeld (Werbeagenturen!) überall ein Flash-Plugin installiert ist, können Sie Ihre persönliche Erfahrung doch nicht verallgemeinern! Und kommen Sie mir nicht mit der berühmten Umfrage auf den WWW-Seiten der Fa. <censored>, bei der herauskam, dass 97,5 % der Besucher ein Flash-Plugin installiert hatten. Bitteschön: Bei einer Firma, die genau dieses Flash-Plugin vertreibt, und auf deren WWW-Seiten, die nur teilweise ohne Flash bedienbar und lesbar sind, kann kein anderes Ergebnis herauskommen! Wenn ich nur Menschen mit Schlips in meine Discothek lasse, kann ich hinterher auch gut behaupten: "Ich weiss nicht, was sie wollen! Alle meine Besucher tragen Schlips!". Programieren Sie ruhig Flash. Das ist nicht das Problem. Aber setzen Sie nicht die Anzeige des Flash-Films voraus.
Noch wichtiger: Die Zielgruppe "Suchmaschinen" verfehlen Sie komplett, und die Zielgruppe "Menschen am Arbeitsplatz" zu einem sehr grossen Teil.
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Ja und? 90% surfen doch sowieso mit dem Browser <censored>!
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Wer sagt das? Eine Umfrage? Eine Statistik? Vergessen Sie es! Umfragen, selbst wenn sie mal zufällig repräsentativ sein sollten, sind morgen veraltet. Und Statistiken kann ich mir selber schreiben. Mit einem Würfel. Sogar heise dokumentierte im Dezember 2002 sehr andere Anteile der Browser-Hersteller. Auch Ihre Logfile-Auswertung taugt hier nicht als Argument. WWW-Seiten, die auf einem bestimmten Browser sehr gut aussehen, auf allen anderen aber unlesbar sind, werden natürlich zum grossen Teil auch nur von Lesern mit dem passenden Browser besucht.
Und nehmen wir mal an, Sie hätten Recht, Herr Kollege: Kann Ihr Kunde es sich wirklich leisten, 10% der potentiellen Kundschaft zu verärgern?
Bei allen von woodshed productions betreuten WWW-Seiten ist die Streuung der User-Agents erheblich grösser. Wenn da ein einziger Browser plötzlich einen derartig monopolistisch hohen Anteil hätte, würde ich dringend überprüfen, ob da nicht etwas schiefgelaufen ist.
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Wer JavaScript abschaltet, ist doch selber schuld!
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Ja. Von mir aus. Nur: Das ist nicht Pech für den Leser, sondern Pech für Sie! Sie haben gerade einen potentiellen Kunden verloren, weil Ihre WWW-Seite nur eingeschränkt oder gar nicht bedienbar war. Auch hier gilt: Suchmaschinen können Sie komplett vergessen, Menschen am Arbeitsplatz zum grossen Teil. Sind sie selbst schuld? Na gut. Wenn Sie meinen...
Nichts gegen nette JavaScripts! Aber die WWW-Seite muss auch ohne deren Ausführung bedienbar und lesbar bleiben.
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Ich kann doch nicht für alle möglichen Browser optimieren!
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Warum versuchen Sie überhaupt, zu "optimieren"? Das WWW ist nicht "optimierbar". Schreiben Sie einfach ordentlichen, validen Code, und alle Browser stellen Ihre Inhalte dar. "Browser-Optimierung" (vielleicht noch mit Browser-Weiche?) ist Zeitverschwendung für Sie, Geldverschwendung aus Sicht Ihres Kunden, und es verärgert grosse Teile Ihrer Zielgruppe.
Ausführlicher erklärt dies Dr. Joachim Wiesemann auf www.bestviewed.de. Er fragt u.a sehr treffend: "Will ich, dass die Besucher meiner Seiten einen bestimmten Browser benutzen oder will ich, dass sie bei mir kaufen?"
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Auf so alte Rechner und so kleine Bildschirme kann ich nun wirklich keine Rücksicht nehmen!
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Nicht? Dann lassen Sie es. Dann schreiben Sie eben WWW-Seiten für heute. Die Kundschaft von morgen rauscht derweil an Ihnen vorbei auf die WWW-Seiten der Konkurrenz. Es geht nicht um das Alter der Rechner. Das Argument ist auch von gestern. Die Zeit, in der die Bildschirme immer grösser wurden, ist vorbei. Jetzt werden sie wieder kleiner (und heissen dann "Display"), bis sie als PDA in eine Westentasche passen, oder in das Gehäuse eines Handys.
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Aber das ist doch nur eine zu vernachlässigende Randgruppe!
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(Dieses Argument kommt gerne gegen alles und jeden: Mac-User, Linux-User, Sehbehinderte, Flashlose, JavaScript-Abschalter, Nutzer von Textbrowsern, usw., usw.)
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Wer Randgruppen vernachlässigt, sollte den Taschenrechner bemühen. Hat er den prozentualen Anteil aller Randgruppen halbwegs realistisch eingeschätzt und addiert, wird er feststellen, dass er gerade die Mehrheit zur Ansammlung von Randgruppen degradiert hat. Herzlichen Glückwunsch!
Dieses Argument, konsequent weitergedacht, bedeutet: Alle, bei denen das Layout zerschreddert wird, gehören zu einer Randgruppe. Vielleicht denken Sie mal darüber nach, wo das Problem wirklich liegt, Herr Kollege?
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Unsere Marketing-Abteilung hat unsere Zielgruppe genau definiert und befragt. Das kommt schon hin mit der technischen Ausstattung.
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Ich verneige mich in Ehrfurcht. Damit ist Ihrer Marketing-Abteilung die Quadratur des Kreises gelungen: Von Parametern, die für die Definition Ihrer Zielgruppe entscheidend sind, auf die technische Ausstattung dieser Zielgruppe zu schliessen.
Ihre Marketing-Experten mögen die Zielgruppe definieren, wie sie wollen: Einkommen, Wohnverhältnisse, Luxusartikel, bevorzugte Lokale und Parfüms und was auch immer. Aber der Schluss von da aus auf die technische Ausstattung der Zielgruppe ist und bleibt ein Trugschluss. Ich glaube nicht, dass z.B. Immobilien-Makler nur dann zu Ihrer Zielgruppe gehören, wenn sie auch Ihrer Gattin alle halbe Jahre einen neuen Rechner hinstellen. Denn die trifft auch Kaufentscheidungen.
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Aber dann sähen doch alle WWW-Seiten langweilig und immer gleich aus!
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Nein. Warum denn? Nur weil Sie den Überblick über die Gestaltungsmöglichkeiten ohne Einschränkung der Reichweite verloren haben, heisst das nicht, dass diese Möglichkeiten nicht existieren. Lernen Sie, wie es geht! Es gibt genug gute WWW-Seiten, die Ihnen das zeigen.
Auch sehr nett: Die Diskussion, die Steffi Abel in der newsgroup de.comm.infosystems.www.authoring.mics mit einem Menschen führte, der nicht davon abzubringen war, dass "künstlerisch wertvolle Seiten" unbedingt und zwingend mit multimedialen Features ausgestattet sein müssten. Steffi Abels Motto in dieser Diskussion: "Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler."
Zum Schluss die vorbildliche WWW-Seite eines Marktführers als Beispiel.
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