Warum können Werbeagenturen keine guten WWW-Seiten schreiben?

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PR-Phrasendreschmaschinen

Wie in Werbeagenturen die Intelligenz der Leser eingeschätzt wird, ist meistens schon nach der Lektüre der Startseite offensichtlich: Niedrig.

Kurzes googeln mit dem Stichwort Werbeagentur liefert reichlich Treffer. Über den zweiten Platz freut sich eine Werbeagentur so sehr, dass sie meint, schon auf der Startseite Ansprüche an ihre Besucher stellen zu dürfen:

Bitte beachten Sie, dass für eine problemlose Darstellung der folgenden Seiten Javascript in Ihrem Browser aktiviert sein muss!

Welch geniale, werbende Aussage! Herrschaften: Was auf den Rechnern der Besucher aktiviert ist, oder nicht, entscheiden diese (oder der zuständige Admin). Wenn Ihre WWW-Seiten ohne JavaScript Probleme haben, dann ist das Ihr Problem, nicht das der Besucher. Nunja, immerhin werden wir auch ohne JavaScript auf die "richtige Startseite" gelassen. Dort lautet der erste Absatz:

<censored> ist Ihre Full Service Agentur für Kommunikationsdienstleistungen. Seit 1996 konzipieren und realisieren wir mensch-orientierte Lösungen für Marketing und Kommunikation. Termingerecht, etatsicher, überzeugend in Ton und Gehalt. Das bedeutet: vorhandenes Wissen bündeln und ausbauen. Und es bedeutet: dem Kunden zuhören.

Haben wir das jetzt verstanden? Nun mal googeln mit Werbeagenturen Düsseldorf. Auf Platz eins glänzt eine Firma, deren Seiten ich nur betreten darf, wenn ich auf ein Schlüsselloch klicke. Liebe Leute! Bitte! Was haltet Ihr denn von mir?! Bin ich denn Voyeur? Nunja. Weiter innen:

<censored> ist eine erfahrene Projekt-Agentur, die die Facetten des Markenbildes, des werblichen Auftrittes, der Kundenbindung beherrscht. Für seine Kunden Millionen von Werten geschaffen hat.

Soso. Das sollte man sich merken. Platz zwei belegt eine Werbeagentur, deren Startseite sich durch besondere Inhaltslosigkeit auszeichnet. Dem verblüfft stutzenden Leser präsentiert sich nach einigen Sekunden einige kleine Karos, die sich in einem schwarzen Balken aufrollen. Sollte da etwa... Ja, tatsächlich, das sind Links! Klick:

Wir meinen, wirklich gute Werbung erreicht die Ziele Ihres Unternehmens ohne Umwege und Zwischenstopps. Mit Strategien, die weiter denken. Um Sackgassen bei Konzept und Idee schon im Vorfeld durchdacht und souverän zu vermeiden. Damit Werbung wirksam und effizient ihren eigentlichen Zweck erfüllt: aktive Vertriebsunterstützung.

Ach so! Ohne Umwege. Hätten die das nicht gleich sagen können? Schnell den dritten Platz begutachten. Hier werden wir von einer rein grafischen Startseite beglückt, die uns mit folgender Aussage begrüsst:

Als Werbeagentur machen wir keine Kunst. Unsere Kunst ist es, die visuellen und konzeptionellen Möglichkeiten für die Kommunikation voll auszuschöpfen.

Was denn jetzt? Kunst oder keine Kunst? Auch auf Platz vier erscheint eine rein grafische Startseite, die vermuteten Links allerdings sind keine. Oder es wird nicht verraten, was zu deren Funktionieren aktiviert werden muss. Nunja. Platz fünf bietet ein lustiges Scrabble-Labyrinth, in dem manchmal sogar Inhalte versteckt sind. Sowas zum Beispiel:

Die Frage, ob die Botschaft richtig oder falsch, irritierend oder überzeugend ist, stellt sich erst gar nicht, wenn die Anzeige überblättert, der Spot übersehen oder die Pressemeldung weggeworfen wird.

Gut erkannt! Schnell weiter! Da heisst es:

You can't stop development.
Even in advertising.
<censored>, the fixed price online advertising agency
.

Naja, es gibt immerhin einen weiterführenden Link. Auf eine weisse Seite. Danke schön. Das spart Zeit. Der nächste bitte:

Sollten Sie nicht automatisch weitergeleitet werden klicken Sie bitte hier.

Sehr originell. Kannten wir noch gar nicht. Klick.

Herzlich Willkommen bei [...]<censored>

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Daher kann Ihr Rechner unsere Webseite nicht darstellen.
Bitte laden Sie sich das kleine Plugin herunter: Flash

Klicken Sie hier, um es trotzdem zu versuchen: [...]<censored>

Natürlich misslingt der "Versuch". Insgesamt misslang hier jeder Versuch einer Kommunikation. So geht das weiter. Die wenigen Seiten, deren Inhalte überhaupt erreichbar sind, bieten Phrasendreschereien wie in den o.a. Beispielen. Keine der besuchten Firmen ist auf ihren WWW-Seiten willens und/oder in der Lage, auf den ersten Klick mitzuteilen, wo man gelandet ist, was es hier gibt, und wie man weiterkommt.

Unter dem Titel "Wir ohne Sie: Warum PR-Phrasen schlecht sind" beleuchtet Dr. Thomas Wirth von kommdesign.de diese ineffiziente Schaumschlägerei. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ebenso ausführlich wie unterhaltsam wird das Thema "Klartext im Marketing" von Christian Rothe abgehandelt.

Wer jetzt immer noch meint, die Produktion solcher Texte sei eine Kunst, die hoch zu dotieren sei, bemühe doch lieber den Sloganizer. Der macht das automatisch.

Weiter: Auch die technischen Unterschiede zwischen dem WWW und den klassischen Medien werden konsequent ignoriert.

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